Galerie Kaysser präsentiert Brad Howe in Nellmersbach.
Vom 5.11. bis 12.11.2010 präsentiert die Galerie Kaysser in einer großen Einzelausstellung 50 Werke aus Edelstahl und Polyurethan des kalifornischen Künstlers Brad Howe.
(VERLÄNGERT BIS 23.12.2010)
Ort: H.P. Kaysser Lernfabrik, Bürogebäude/1. Stock
Daimlerstrasse 4 • 71397 Leutenbach/Nellmersbach
Öffnungszeiten: nur nach Vereinbarung
Kontakt: Tel. 0170 - 420 410 8
50 Werke für Nellmersbach oder wie Kalifornien
und der Schwäbische Wald zueinanderkommen
Ein Bildhauer aus dem sonnenverwöhnten Kalifornien und ein Metall verarbeitender Betrieb haben zunächst scheinbar nichts gemeinsam. Die genauere Beschäftigung mit beiden führt dann aber zu einer bedeutsamen Schnittstelle: Die Menschen beim schwäbischen Metallverarbeiter H. P. Kaysser und der kalifornische Künstler Brad Howe eint, dass sich beide oft mit dem gleichen Grundmaterial dem Edelstahl auseinandersetzen. Die Metallspezialisten aus Nellmersbach interessieren sich vor allem für die Materialeigenschaften des Edelstahls: Er rostet nicht und ist sehr dauerhaft. Edelstahl ist Material pur ohne Wenn und Aber. Den Künstler begeistert am Edelstahl dessen neutrale Oberfläche, die die Schauseiten seiner Plastiken kontrastiv betont.
Brad Howe ist ein waschechter Kalifornier, der 1959 in Riverside geboren wurde, an der berühmten Stanford University studierte und heute mit seiner Familie in Malibu lebt. Zusammen mit seinen Assistenten arbeitet er dort in einem factoryähnlichen Atelier. Die 50 in H. P. Kayssers Lernfabrik gezeigten Werke Brad Howes geben einen Querschnitt seines Schaffens und unterstreichen die Vielseitigkeit des international tätigen Künstlers. Brad Howe gliedert sein Œuvre in sechs Werkgruppen: Raumskulpturen, Wandobjekte, kinetische Arbeiten, Malerei, Druckkunst und Installationen. Er hat bis heute in 16 Ländern ausgestellt und seine Arbeiten sind in Sammlungen in mehr als 32 Ländern vertreten.
Das Leben in seiner Allumfassendheit, seiner Rätselhaftigkeit, Widerborstigkeit, aber auch in seiner Schönheit lässt sich in Polaritäten einfangen. Außerordentlich sinnfällig werden solche Polaritäten an Brad Howes kinetischen Kunstwerken. Anziehung und Abstoßung, Verbindung und Trennung sowie Anspannung und Gelassenheit lassen sich hier direkt anschauen und in Aktion erleben. Sie treten damit heraus aus der Sphäre abstrakter Begrifflichkeit.
Das Austarieren von Formimpulsen, das Spiel mit verschiedensten Polaritäten kennzeichnet auch Howes Raumskulpturen und Wandobjekte. Auffallend ist seine ausgeprägte Vorliebe für biomorphe, organische Formen. Gleichwohl schillert hier auch ein Faible für die Welt mathematischer Kurvendiskussionen sowie der Kurvenlineale und Kurvenkästen hindurch, die vor dem Siegeszug von CAD (Computer Aided Design) und CAM (Computer Aided Manufacturing) die technischen Zeichnungsbüros prägte.
Keinen Künstler gibt es ohne innige Verbindung zur Tradition der eigenen Profession, die ihn hat werden lassen, was er ist. Anstelle von Stilrichtungen und Kunstströmungen seien an dieser Stelle zwei Namen von amerikanischen Künstlern genannt, die den Generationen von Brad Howes Großvater und Vater entstammen. Ich meine Alexander Calder, Jahrgang 1898, den berühmt gewordenen Erfinder des „Mobile“, und Frank Stella, Jahrgang 1936, den verwandlungsfreudigen Meister der amerikanischen Malerei in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
In der farblichen Fassung seiner Plastiken greift Brad Howe die Einflüsse von Pop Art und Comic auf, um sie zu seinem Personalstil umzuwandeln. Der um Wörter nicht verlegene Künstler hat seine Arbeiten einmal mit der Formel von der „serious exuberance“ umschrieben. Ins Deutsche übersetzt müsste man von ernster Ausgelassenheit oder ernsthafter Überschwänglichkeit sprechen. Einmal mehr bekennt sich Brad Howe zur Polarität, hier derjenigen von ernst und lustig. Er bedient sich dabei der rhetorischen Stilfigur des Oxymorons, bei dem man ein Phänomen durch zwei in der Bedeutung sich scheinbar widersprechende oder aufhebende Worte zu fassen versucht. Der Witz der Formulierung verweist auf Howes optimistische Grundhaltung. Ihm ist durchaus nicht angst vor den Polaritäten, von deren konfliktträchtigem Potenzial er zu keinem Zeitpunkt überwältigt wird. An dieser Stelle drängt sich zur Kennzeichnung seines Kunstwollens der Begriff der Balance im weitestmöglichen Sinne auf.